Die Früchte des Schreibens

Sigrun Dahmer schreibt kreativ über ihr Sabbatical und die Rolle des Schreibens in Spanien, insbesondere bei Schreibwerkstätten
Ein Monat Schreiben: Die Rückschau

Schreibchallenge: Selbstversuch mit dosiertem Stress

Unter dem Hashtag „Schreiben im Juli 22“ hatte ich gleich zu Beginn meines Sabbaticals eine Schreibchallenge ausgerufen. Die Idee war:

  • Nicht so viel über das Schreiben nachzudenken, sondern einfach zu machen
  • Im Austausch mit anderen zu schreiben
  • Auszuprobieren, wie sehr die Schreibvorhaben meine Wahrnehmung prägen

Allerdings hatte ich gleich zwei Sicherheitsventile eingebaut: Bei dieser Schreibchallenge musste niemand jeden Tag schreiben, sondern zehn Beiträge insgesamt waren als Minimalziel angepeilt. Ich wollte zwar ein wenig Druck aufbauen, aber er sollte nicht zwanghaft verpflichtend werden, sondern vor allem der  Motivation dienen.

Zum zweiten bestand die Freiheit, immer spontan zu dem Schreibimpulse schreiben zu dürfen, der einen gerade intuitiv anspricht (auch wenn er eigentlich von der Reihenfolge her nicht zumTagesthema  passte).

Wie hat das geklappt?

Im Nachhinein war ich dankbar für die beiden Sicherheits-Vorkehrungen, denn meine Schreiblust war tatsächlich Schwankungen unterworfen.  Zu Beginn war ich kaum zu bremsen und hätte am liebsten drei oder vier writing prompts gleichzeitig in einem Text „abgearbeitet.“ Dementsprechend lang wurden die Beiträge. Als dann die ersten Wochenenden kamen, dachte ich mir, dass ich eine Pause bräuchte und gönnte mir eine schreibfreie Zeit.

Seit August befinde ich mich nun in Marokko. Und während mir die Zeit in Südspanien so vertraut vorkam, als wäre ich wieder in meinem zweiten Zuhause angekommen, werde ich hier von neuen Eindrücken regelrecht überschwemmt. Ich könnte darüber im Moment noch nicht schreiben, da mir der Abstand fehlen würde. Jetzt eine Schreibchallenge -undenkbar! Bin schon genug dadurch gefordert, den Alltag irgendwie auf die Kette zu kriegen. Auch das ist bereits eine spannende Selbst-Erkenntnis für mich: Situationen müssen schon ein wenig abgekühlt sein, damit ich sie schreiberisch verarbeiten kann.

Aber bleiben wir noch einen Augenblick bei der Schreibchallenge im Juli:

  • Der Ansatz: einfach machen hat bei mir gut funktioniert. Ich hatte große Freude am Schreiben und durch die freie Zeit- und Themenwahl kam der Gedanke, mir könne nichts einfallen, bei mir zum Glück nicht auf.
  • Die Interaktion mit anderen habe ich ebenfalls als bereichernd empfunden. Egal ob Like, Frage oder Kommentar: es war wunderbar, nicht ins Blaue hineinzuschreiben. Ganz besonders reizvoll fand ich es zu erleben, wenn meine MitstreiterInnen die Aufgaben ganz anders als ich gelöst haben.
  • Und ob die Aufgaben meine Wahrnehmung geschärft haben? Aber holla! Ich habe mir etwa den Kleidungsstil der Menschen genau angeschaut, habe ihre Gespräche belauscht und Plakate voller Aufmerksamkeit gelesen. Ich glaube nach wie vor, dass das gründliche Beobachten eine wichtige Voraussetzung für überzeugendes Schreiben ist: Wer den Alltag mit allen Sinnen wahrnimmt, schreibt mit großer Wahrscheinlichkeit besonders intensiv.

Schreibworkshops & Lesungen

In Málaga habe ich an zwei Schreibworkshops teilgenommen, die beide überraschend gut besucht waren. Bei dem einen ging es ganz klassisch um das Handwerkszeug des Schreibens: den Unterschied zwischen showing & telling. Der Dozent, Diego, hatte Material und Schreibaufgaben vorbereitet und hielt die Ergebnisse zwischendurch immer wieder anschaulich auf einer Whiteboard fest. Fast alle haben gerne vorgelesen und ich fand den Kurs sehr inspirierend, was auch mit dem warmherzigen Dozenten zusammenhing.

Vor dem zweiten Kurs war ich deutlich aufgeregter. Es ging um therapeutisches und expressives Schreiben und ich war mir nicht sicher, ob ich da reinpasste. Ana, die Dozentin, sagte uns gleich zu Beginn,  dass wir nicht kunstvoll schreiben  müssten, da es ihr eher um die Inhalte und weniger um die Form ginge. Wirklich beruhigt hat mich das nicht …

Ich fand es ein wenig schwierig, den für mich passenden Mittelweg zwischen commitment und Selbstschutz zu finden, denn ich habe es schon so wahrgenommen, dass es gern gesehen wurde, dass am Ende alle ihre jeweiligen Ergebnisse laut in der Runde vorlesen.

Das Positive an Anas Kurskonzept bestand für mich darin, dass wir viel erzählten und diskutierten und erstaunt bemerkten, dass wir trotz aller Unterschiede ähnliche Erfahrungen gesammelt hatten. Das für mich Unangenehme bestand jedoch darin, dass mir einige Aufgaben zu privat waren. Ich versuchte dann, das Thema zu umgehen oder behandelte es eher oberflächlich.

Einfacher oder schwieriger das Schreiben in einer Fremdsprache?

Insgesamt war ich von mir selbst überrascht, dass mir das Schreiben in einer Fremdsprache eher leichter fiel, als das Schreiben in meiner Muttersprache. Es gab mir einen spielerischen Abstand (und eine überaus praktische Blanko-Entschuldigung für eventuelle Fehler aller Art), was ich sehr genoss. Dieselbe Erfahrung hatte ich schon einmal gemacht, als ich an einem Kurs zum Creative writing auf Englisch teilgenommen habe. Ein spannendes Thema.

Die Konstellation Urlaub/ Fremdsprache hatte auch noch den Nebeneffekt, dass ich mir zwei Lesungen angehört habe, zu denen ich in Deutschland vielleicht nicht unbedingt aufgebrochen wäre.

Beide Lesungen waren sehr unterschiedlich und dennoch entwickelten beide ihren ganz eigenen Charme. Das wiederum führt mich zum Ausgangspunkt zurück: Der Schreibmonat in meinem Sabbatical stand unter dem Schlagwort: Neugier. Ich glaube, wir sind uns der vielen möglichen Facetten des Schreibens oftmals gar nicht bewusst, da wir  dazu neigen, in engen konventionellen Vorstellungen verhaftet zu bleiben. Das ist schade. Wir sollten uns vielleicht einfach mehr trauen und mit mehr spielerischer Leichtigkeit an das Schreiben herangehen.

Über Ihr Feedback zu den Themen Journaling, Schreiben & Wahrnehmung und/ oder  über Ihre Erfahrungen mit dem Schreiben in einer Fremdsprache, würde ich mich sehr freuen. Das Kommentarfeld unten ist groß und  und freut sich darüber,  gefüllt zu werden …

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